Die Wirtschaft, die Arbeit und die Krise.

 
November 2001:
> Warum gibt es in D so wenig Teilzeitarbeit? Außer in den Pflege- und
> anderen körperlich schweren Berufen, in denen man ohne Teilzeit
> einfach nicht genügend willige Kräfte fände, gibt es das kaum.
> 630DM-Jobs sind auch keine Alternative. Warum kann die Politik keine
> Rahmenbedingungen dafür schaffen?  Die SPD, zwischen braven
> Familienvätern und Großkapital aufgerieben, tut da gar nichts.
>

Vorausschicken möchte ich, daß ich politisch eigentlich aus der
konservativen Schiene komme. Als braver Bayer war ich sogar jahrelang
CSU-Mitglied, bin aber ausgetreten weil ich gemerkt habe, ich tu nichts für
die, und die tun nichts für mich. Gegenseitiges freundliches Desinteresse
(ich war immer nur Karteileiche).

Das sag ich deswegen, damit niemand glaubt hier spricht ein Altkommunist.

Meine These:

Die Leute brauchen keinen Arbeitsplatz.
Die Leute brauchen stattdessen ein geregeltes großzügiges Einkommen.

Nicht mehr Arbeit. Mehr Geld muß in breite Bevölkerungsschichten gepumpt
werden.
"Arbeit" ist eine Sekundärtugend. Die Leute wollen und brauchen primär Geld.

Lets face it: Die Produktionsmethoden in Landwirtschaft, Industrie und
Technik usw. sind so gut geworden, daß man längst nicht mehr die
Arbeitsleistung aller verfügbaren Menschen braucht, um alle verfügbaren
Menschen sehr gut zu versorgen. (nur im Quartärsektor brauchen-und suchen!-
wir weiter viele Menschen)

Es nützt nichts, den Faktor Arbeit immer weiter zu verbilligen, den
Kündigungsschutz aufzuheben ("flexibel"), damit immer mehr Leute in immer
mehr lausig bezahlten Jobs gegen Roboter und Asiaten konkurrieren.
Die haben anschliessend ein real immer weiter sinkendes Einkommen, und
kaufen nichts mehr von den so mühelos produzierten Gütern. Diese
Abwärtsspirale nimmt gerade Tempo auf.

Der Hauptgrund für die jetzige Wirtschaftskrise ist das gesunkene
Verbrauchervertrauen. Als der US-Verbraucher noch fest an die Seifenblasen
der New Economy glaubte und sein vorhandenes Geld sorglos ausgab, florierte
die Wirtschaft tatsächlich!

Soviel Geld kann Bill Gates gar nicht verfressen, und soviel Gimmicks und
Gadgets kann er nicht in sein Haus einbauen, um als Verbraucher wahrgenommen
zu werden. Seine 100 Milliarden $ Privatvermögen sind der Wirtschaft
weitgehend nutzlos entzogen. Mit den anderen immer reicher werdenden
Großaktionären ist es ähnlich. Als Verbraucher sind sie wertlos.
Und aus der Wirtschaftskrise können nur viele glückliche sorglose
Kleinverbraucher führen.

Eigentlich müssten wir längst im Fast-Paradies leben können, und Arbeit nur
mehr der ausüben, dem sie Spaß macht und der sich darin bestätigt und
verwirklicht sieht (mir als Arzt z.B. macht es tatsächlich Spaß, ich würde
weiter tätig sein wollen, vom jetzt noch notwendigen Brotverdienst mal ganz
abgesehen).

Die Versorgung der Bevölkerung in den Industrienationen kann dank Computer,
Roboterfabriken usw. wirklich vollzogen werden, ohne den letzten Mann (und
die letzte Frau) unbedingt ins Erwerbsleben zu pressen.

Stattdessen lassen wir immer weniger Leute immer heftiger rotieren
("Effektivitätssteigerung"), und geben 4 Millionen Menschen (in Wirklichkeit
wären es mehr, sicher 8-10 Millionen ohne diese Fixation der Politik auf
"Arbeitsplätze schaffen")  das Gefühl nutzlos zu sein, stürzen sie in die
Depression.

Bezahlen müssen wir sowieso für die im Produktionsprozess nicht mehr
benötigten Menschen. Warum sie noch demoralisieren?

Da ist eine Menge schief gelaufen in den letzten 30 Jahren.
Aber im 3. Jahrtausend wird es erlaubt sein, mal wieder grundsätzlich
nachzudenken.

Mehr Geld für die Mehrheit der Verbraucher. Die Arbeit den Robotern und
Computern.

Gruß

JN