Vorträge gestern und heute

-------- Original-Nachricht --------
Betreff: Re: Sie haben es endlich gemerkt....
Datum: Sat, 20 Dec 2003 20:08:32 +0100
Von: Robert.H.Boehm 
Firma: T-Online
Newsgroups: ger.ct
Referenzen: 



"Heribert Slama"  schrieb im Newsbeitrag
news:eajptvgij20a5klv2fo3pao4ehu05q0h2e@4ax.com...
>
> Bei meinen ersten Kursen bei IBM (~1967) musste ich den Vortrag noch
> mit schreiben. Gedankengänge wurden schrittweise entwickelt und auf
> der Kreidetafel festgehalten - und hektisch abgeschrieben.
>
> Schon bei den Folien-Projektionen degeneriert man automatisch zum
> (mehr oder weniger blasierten?;-) Zuschauer. Von manchen späteren
> Kursen ist bei mir wenig hängen geblieben.
>

Hallo Heribert,

schwierig zu sagen, ob das Problem beim Tool oder beim Gebrauch liegt, den
wir von ihm machen.

Wer versucht, einen Gedanken oder einen Standpunkt verständlich zu machen
und bereit ist, sich auf Diskussionen einzulassen, wird seine Vorträge und
Präsentationen anders aufbauen als jemand, der beeindrucken, überreden oder
eine lästige Pflicht abschütteln will. Alles hat seine Berechtigung, führt
aber zu völlig unterschiedlichen Präsentationen.

Ich habe jahrelang meine Vorträge auf dem Overheadprojektor begleitet. Dabei
bin ich von sehr rudimentären, vorbereiteten Skizzen ausgegangen, die ich
dann im Verlauf des Vortrags von Hand Schritt für Schritt erweitert habe.

Leider sind diese glücklichen Zeiten vorbei.
Auf einer (meiner Meinung nach) grottenschlechten Schulung mit Vortrag (41
Folien in 60 Minuten) zum Thema 'Effektiv Präsentieren' wurde mir
unmißverständlich klar gemacht, daß Folienpräsentationen - schlimmer noch:
handschriftliche Bemerkungen - antiquiert wirken und Zweifel an meiner
Kompetenz wecken. Eine nach Ansicht der Refernten (und ich schätze, diese
Leute wirken stilbildend) gute Präsentation läuft ab wie der Vorspann von
'Miami Vice' oder ein Clipp bei MTV. Und das wohlgemerkt nicht bei
Marketingpräsentationen sondern bei der Darstellung eher technischer
Zusammenhänge. Es wurde explizit auf die Möglichkeit der freien Skalenwahl
und -gestaltung zur 'Prägnanzsteigerung' hingewiesen, ohne auch zu erwähnen,
daß damit die Aussage der Rohdaten bis zur Unkenntlichkeit verzerrt werden
kann. Es war viel die Rede von Rhythmus und Dynamik, Suggestivität,
Überzeugungskraft, Erfolg - niemals von Überlegtheit, Einsicht, Ehrlichkeit,
Dialog.

Wenn das tatsächlich der idealtypische Stil zukünftiger Vorträge sein soll
und kein übler Ausrutscher, sehe ich mehr als die Columbia den Bach runter
gehen ...

Schöne Grüße,

Robert